Rund 350 Millionen Bürger:innen der Europäischen Union sind am 9. Juni aufgerufen, das Europaparlament zu wählen. Eine wichtige Wahl auch für den Gartenbau. Wir haben mit einigen Kandidierenden unsere Mitgliedsbetriebe besucht.

96 der 720 Abgeordneten des Europäischen Parlaments kommen aus Deutschland. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lag noch kein Ergebnis vor. Doch eins steht fest: Egal, wie die Wahl ausgeht, die neu- und wiedergewählten Entscheidungsträger:innen in Parlament und Kommission haben eine Menge an Aufgaben vor sich.

Der Gartenbausektor muss die Herausforderungen des Klimawandels sowie der nachhaltigen Transformation meistern, um auch in Zukunft die Erzeugung von qualitativ hochwertigem Obst, Gemüse, Zierpflanzen und Gehölzen gewährleisten zu können. Dafür braucht er zuverlässige politische Rahmenbedingungen – auch und besonders aus Brüssel und Straßburg. Für uns ist klar: Wir brauchen dringend eine europäische Politik, die sich an der betrieblichen Praxis ausrichtet.

Europäische Politik betrifft viele Bereiche des Gartenbaus

In Brüssel und Straßburg werden viele Entscheidungen getroffen, die direkt auf den Gartenbau wirken – sei es der Green Deal, die Taxonomieverordnung, die Energieeffizienzrichtlinie oder Vorgaben zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) hat daher konkrete Forderungen an die EU-Politik gestellt. Beispiel Pflanzenschutz: Immer mehr Wirkstoffe gehen verloren. Es stehen nicht genügend Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel zur Verfügung, um weiterhin einen integrierten Pflanzenschutz zu gewährleisten und Resistenzen vorzubeugen. Betriebe benötigen neue Wirkstoffe und damit verbunden risikoarme Pflanzenschutzmittel, um mit integriertem Pflanzenschutz die Kulturen abzusichern.

Taxonomie-Verordnung hat Auswirkungen auf KMU

Auch die Taxonomie-Verordnung hat Auswirkungen auf Gartenbauunternehmen. Sie legt fest, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Diese Taxonomieregeln gelten für große kapitalmarktorientierte Unternehmen. Es zeigt sich aber jetzt schon, dass Nachhaltigkeitsanforderungen und Berichtspflichten auf kleine Unternehmen abgeladen werden. Gartenbauliche Unternehmen dürfen nicht überfordert werden. Deshalb braucht es klare Grenzen zum Schutz von kleinen und mittleren Betrieben. Der Gartenbau fordert einen einfachen Berichtsstandard für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU).

Einblick in die Praxis für Kandidierende

Damit die künftigen Abgeordneten einen Blick in die Praxis bekommen und verstehen, wieso es verlässliche politische Rahmenbedingungen braucht, haben wir den Kandidierenden der Parteien der demokratischen Mitte angeboten, unsere Betriebe zu besichtigen. Kandidat:innen aus allen Ecken Nordrhein-Westfalens sind der Einladung gefolgt, so etwa Miriam Viehmann (CDU) aus Düsseldorf. Die 34-jährige schaute in der Gärtnerei von Torsten Höpken in Burscheid vorbei und erfuhr, wo den Unternehmen der Schuh drückt. Insbesondere die bürokratischen Anforderungen müssten auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dem stimmte auch Claudia Grönefeld (FDP) zu. Bei der Besichtigung der Gärtnerei Wissing in Senden erläuterte Betriebsinhaberin Corinna Henkel der Kommunalpolitikerin unter anderem die Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes.

Auf pragmatische Lösungen für Betriebe, etwa bei Berichtsanforderungen, plädierten Martin Strunk und Johannes Wolter bei einem Besuch von Dennis Radtke (CDU) in der Gärtnerei Strunk in Gelsenkirchen. Bei dem anschließenden Spaziergang über den Hauptfriedhof konnte der CDU-Politiker, der bereits seit 2017 im Europaparlament sitzt, sehen, wie eng Gesellschaft und Gartenbau miteinander verbunden sind – und zeigte sich beeindruckt von der gelebten Friedhofskultur.

Effektiver Pflanzenschutz nur mit breitem Instrumentarium

Birgit Sippel (SPD) ist ebenfalls EU-erfahren, sitzt seit 2009 im Europäischen Parlament. Mit der Südwestfälin sprachen die Betriebsinhaber Beate und Wolfgang Stöcker aus Erwitte über die Herausforderungen um die EU-Vergaberichtlinien sowie die Herausforderungen um den Vorstoß zur Anhebung des Mindestlohns. Pflanzenschutz thematisierten Beate und Christoph Schönges beim Besuch von Moritz Körner (FDP) in ihrem Betrieb und erläuterte die Notwendigkeit einer breiten Auswahl aus Pflanzenschutzmitteln, um die Flexibilität bei Schutzmaßnahmen zu erhalten. Körner, seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments, bekannte sich zum Bürokratieabbau und warnte vor einer Verschärfung des Lieferkettengesetzes – mit Auswirkungen auch auf KMU.

Auch Jens Geier (SPD) bringt Erfahrung als EU-Parlamentarier mit. Bereits seit 2009 ist er Europaabgeordneter seiner Partei. Am Gartencenter Dobirr-Blotz in Oberhausen ist er unzählige Male vorbeigefahren. Seinen Wahlkampf nutzte er nun, um auch mal reinzuschauen. Im Gespräch mit Geschäftsführerin Iris Blotz zeigte Geier, der im Europäischen Parlament Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie ist, verständnisvoll, dass die Umstellung fossiler Energieträger nur mit Planungssicherheit der Betriebe begleitet werden kann.

Gisela Grabow (CDU) aus dem Kreis Mettmann zeigte sich bei ihrem Besuch in der Gartenbaumschule Selders in Haan sattelfest unter anderem beim Thema Pflanzenschutz – kein Wunder: Die promovierte Juristin ist als Anwältin insbesondere in internationalen Rechtsfragen tätig.

Für einen starken Gartenbau in NRW und der EU

Was alle Kandidierende eint: Sie sind überzeugte Europäer:innen. Aber eben doch mit unterschiedlichen Vorstellungen europäischer Politik – auch für den Gartenbau. Wir danken allen Politiker:innen für ihre Besuche und das Interesse für die Grüne Branche. Dank gilt auch unseren Mitgliedsbetrieben, die die Besuche in der Saison ermöglicht und den Gartenbau damit hautnah erlebbar gemacht haben. Unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht und wer den Einzug in das Europäische Parlament schafft: Wir werden uns auch nach dem 9. Juni für einen starken Gartenbau in Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union einsetzen.

Torsten Höpken empfing Miriam Viehmann in Burscheid. 

Corinna Henkel erklärte Claudia Grönefeld den Einsatz von Nützlingen in der Pflanzenproduktion. 

Martin Strunk erläuterte Dennis Radtke, warum es schwierig ist, Personal zu finden.