Betriebliche Integration mit den Willkommenslotsen
Christiane und Peter Opschroef strahlen, als wir sie in ihrem Betrieb Aflora in Straelen besuchen. Sie haben guten Grund dazu: Vor wenigen Tagen ist ihr neuer Azubi Mike gestartet – und der ist ein echter Gewinn für den Betrieb. Doch bis er seine Ausbildung beginnen konnte, gab es einige Hürden zu meistern.
Mike kommt aus Peru, hat also keine EU-Staatsbürgerschaft. Das bedeutet jede Menge Papierkram, sowohl für Mike selbst als auch für die Opschroefs als seinem neuen Arbeitgeber. Von einem wahren „Behördenwahnsinn“ spricht Christiane Opschroef und viel Kontakt zu Arbeitsagentur, dem Kreis Kleve und dessen Ausländerbehörde. Doch Familie Opschroef war bei all dem nicht allein. Sie bekam Unterstützung bei den bürokratischen Herausforderungen: Die Landwirtschaftskammer unterstützt mit dem Programm Willkommenslotsen Gartenbaubetriebe, die planen, Geflüchtete oder Drittstaatler zu beschäftigen. Familie Opschroef hatte über ein Rundschreiben von der Initiative erfahren – und sich gemeldet. So lernte sie Hanna Schulze-Johannes kennen. Die Willkommenslotsin lotst Betriebe individuell durch den Bürokratie-Dschungel und berät und anderem zu Fördermöglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen wie dem Aufenthaltsstatus. Das war Gold wert für Familie Opschroef. „Für uns war das ganze Prozedere neu. Daher waren wir sehr froh, dass Hanna Schulze-Johannes dabei war und uns unterstützt hat. Sie steht einem im ganzen Prozess zur Seite, füllt Papiere aus und gibt Tipps.“
Vom Amazonas an den Niederrhein
Auch für Mike standen noch in Peru Behördengänge an, unter anderem zur deutschen Botschaft. Sein Zielland hat er aber bewusst ausgewählt. Er ist nicht das erste Mal in Deutschland. Bereits 2019 ist Mike für einen Freiwilligendienst nach Köln gekommen, hat Land, Leute und Kultur kennen und schätzen gelernt. Zurück in Peru, suchte er nach einer Möglichkeit, langfristig nach Deutschland zu kommen. Ein peruanischer Freund, der bereits als Gärtner in Bonn arbeitete, gab ihm den entscheidenden Hinweis auf das Programm der Willkommenslotsen. Zunächst gestaltete sich die Suche nach einem passenden Arbeitgeber schwierig, doch dann meldete sich Familie Opschroef. Für Mike ein Glücksfall, denn der Betrieb von Christiane und Peter Opschroef ist unter anderem auf Anthurien spezialisiert – mit denen kennt sich Mike bestens aus. Die Flamingoblumen sind in seiner südamerikanischen Heimat weit verbreitet. In der Region Amazonas im nordwestlichen Peru hat Mike sogar in einem Botanischen Garten gearbeitet, sich in einem Umweltprojekt engagiert und seinen grünen Daumen entdeckt. Die Arbeit mit Pflanzen bereitet Mike Freude, die Natur bedeutet ihm viel. Deshalb schätzt er den respektvollen Umgang mit der Umwelt in Deutschland.
Zusätzliche Herausforderungen
Das merkt auch Familie Opschroef. Schon beim ersten digitalen Zusammentreffen hat es „gematcht“. Doch die Anstellung eines ausländischen Azubis wirft auch einige Fragen und Unsicherheiten auf. Zum Glück gibt es genau dafür die Willkommenslotsen. Hanna Schulze-Johannes kennt die Herausforderungen, denen die Betriebe und die Auszubildenden begegnen: „Bevor eine Ausbildung oder eine Beschäftigung begonnen werden kann, muss die entsprechende Aufenthalts- und Erwerbserlaubnis vorliegen. Diese muss häufig erst noch von der Ausländerbehörde oder der deutschen Botschaft im jeweiligen Herkunftsland gestattet werden. Dazu müssen die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Behörde vorsprechen. Bei der Kommunikation mit den Behörden sollte man möglichst viel Zeit einplanen, da diese oftmals unterbesetzt sind und die Bearbeitung einer Anfrage somit länger dauern kann“, so Schulze-Johannes.
„Eine wichtige Rolle beim beruflichen bzw. Ausbildungserfolg spielen die Sprachkenntnisse“, weiß die Willkommenslotsin zu berichten. „Im Berufsschulunterricht wird Bildungssprache mit vielen Fachbegriffen und komplizierter Grammatik verwendet. Von daher empfehlen wir Deutschkenntnisse auf fortgeschrittenem Niveau. Damit Fachkräfteeinwandernde eine Ausbildung in Deutschland beginnen dürfen, müssen sie in der Regel Sprachkenntnisse auf dem Level B1 nachweisen.“ Für Mike kein Problem. Durch seinen Freiwilligendienst in Deutschland bringt er bereits Deutschkenntnisse mit. „Das ist eine super Ausgangslage“, berichtet Peter Opschroef. Er betrachtet Sprache als Schlüssel für gelungene Integration. Deshalb ist er froh, dass Mike nach Feierabend und Berufsschule in einem Sprachkurs weiter Deutsch paukt. „Auszubildende speziell im Gartenbau haben die Möglichkeit, ausbildungsbegleitend an kostenlosen Online-Sprachkursen teilzunehmen, die vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Anm. d. Red.) gefördert und von der Euro-Schule Oldenburg durchgeführt werden“, berichtet Schulze-Johannes. Sprache sei nicht nur für die berufliche, sondern auch die soziale Integration elementar wichtig. So rät die Willkommenslotsin, die Auszubildenden zu ermutigen, auch neben der Ausbildung Kontakte zu knüpfen und Hobbys zu finden. „Wenn sich die Auszubildenden zum Beispiel im Fußballverein mit Deutschen anfreunden und die Sprache mit positiven Emotionen verwenden, lernt sie sich deutlich leichter.“
Mit dem Arbeitsvertrag ist es nicht getan
Doch auch die Betriebe sollten offen sein, sich auf andere Kulturen einzulassen. „Die Ausbildungs- oder Beschäftigungssituation sollte vorab mit der Belegschaft besprochen werden. Sie sollten sich vergegenwärtigen, dass ausländische Beschäftigte oder Auszubildende einen ‚Kulturschock‘ erleben können. Am Anfang gibt es gibt viel Neues zu entdecken und alles ist faszinierend, etwa das fremde Essen und wie die Menschen leben. Nach der ersten Euphorie kann jedoch bald das Gefühl auftauchen, fehl am Platz zu sein. Kulturelle Unterschiede können stärker auffallen. Mit der Zeit können die Auszubildenden den Umgang mit den anderen Gepflogenheiten aber erlernen und sich an die neue Kultur anpassen“, sagt Schulze-Johannes.
Auch die Opschroefs weisen darauf hin, dass zugewanderte Auszubildende mehr Unterstützung benötigen als Azubis, die schon in Deutschland wohnen. So unterstütze Christiane Opschroef Mike bei der Wohnungssuche, besorgte ihm ein Fahrrad, holte ihn vom Flughafen ab. „Man muss auch bereit sein, in Vorleistung zu gehen und sich zu kümmern. Ohne das würde es nicht gehen.“
Peter (l.) und Christiane Opschroef mit ihrem Azubi Mike inmitten seiner Lieblingsblumen
Doch bei all der Mühe mit Bürokratie, Wohnungssuche und Sprachbarrieren: „Es lohnt sich“, stellen Christiane und Peter Opschroef fest. Den Mehraufwand mache Mike mit seinem Engagement wett. „Es macht Freude zu sehen, was für gute Laune Mike bei der Arbeit hat und mit welcher Motivation er an seine Aufgaben herangeht“, erzählt Christiane Opschroef. „Leute wie Mike verstehen die Ausbildung als große Chance, ihr Leben zu gestalten. Er ist sich dieser Chance bewusst. Dadurch bekommt man hochmotivierte Leute“, ergänzt Peter Opschroef.
Vorbild Kanada
Wie es einfacher funktionieren kann, sehen die Opschroefs bei ihrem Sohn. Der gelernte Nachwuchsgärtner reist für ein Praxisjahr in einem Gartenbaubetrieb nach Kanada. So hat die Familie den direkten Vergleich. In Kanada sei das Verfahren weniger aufwendig, erzählt Christiane Opschroef. Mike ist unterdessen dankbar für alles, was seine neuen Arbeitgeber für ihn organisiert haben. Ohne die Hilfe von Hanna Schulze-Johannes und das Engagement der Opschroefs wäre es für Mike wohl deutlich schwieriger geworden, nach Deutschland zu kommen. „Ich genieße die Arbeit und das Leben hier. Ich habe tolle Kolleginnen und Kollegen und bin sehr dankbar für die neuen Möglichkeiten, die sich mir ergeben“, sagt Mike und erinnert sich an die Arbeitsbedingungen in seiner Heimat. Die Maschinen etwa seien dort viel „rustikaler“. Auf die Frage, was er vermisst, antwortet Mike, dass ihm seine Familie fehle. Und peruanisches Essen, das sei hier schwer zu bekommen. Mit dem heißen Sommerwetter hingegen kommt er gut zu Recht. Weit über 30 Grad Celsius zeigt das Thermometer, als wir ihn treffen – für Mike angenehm. Sorgen macht er sich eher vor dem kalten Winter. Das kenne er nicht. Und an eines muss er sich auf jeden Fall noch gewöhnen, sagt er: die deutsche Pünktlichkeit.
Sie haben Interesse an dem Projekt?
Kontaktieren Sie Willkommenslotsin Hanna Schulze-Johannes!
0251 2376-471
hanna.schulze-johannes@lwk.nrw.de
Das Programm „Passgenaue Besetzung und Willkommenslotsen“ wird vom BMWK gefördert.